Arbeitnehmer sind keine Artischocken
Ein VWLer ist jemand, der sieht, wie etwas in der Realität funktioniert und sich dann fragt, ob es auch in der Theorie funktionieren würde...
Langsam kippt unter Ökonomen das Bild von den zwei Linien, die sich in der Mitte schneiden. Zeit, das Modell der Realität anzupassen. „Arbeitnehmer sind keine Autos oder Brötchen oder Artischocken. Denn Gemüse hat keinen Stolz. Es will sich nicht selbst verwirklichen. Es muss auch keine Familie ernähren.“
Die Abkehr vom alten Dogma begann 1994 mit einem Aufsatz im "American Economic Review", einer der angesehensten ökonomischen Fachzeitschriften der Welt. Zwei US-Ökonomen präsentierten dort eine empirische Studie mit dem erstaunlichen Ergebnis: Eine kräftige Erhöhung des Mindestlohns kann zu zusätzlichen Arbeitsplätzen führen.
David Card (Berkeley) und Alan Krueger (Princeton) hatten untersucht, wie sich nach 1992 die Beschäftigung in der von Niedriglöhnen geprägten Fast-Food-Branche der US-Bundesstaaten New Jersey und Pennsylvania entwickelte. New Jersey hatte 1992 den Mindestlohn um fast 20 Prozent auf 5,05 Dollar erhöht, im benachbarten Pennsylvania blieb der Mindestlohn dagegen bei 4,25 Dollar. Obwohl einfache Arbeit in New Jersey erheblich teurer wurde, entwickelte sich dort die Beschäftigung in Fast-Food-Restaurants deutlich besser als in Pennsylvania. Pro Fast-Food-Restaurant entstanden in New Jersey 2,5 zusätzliche Stellen - ein Plus von mehr als 13 Prozent. Im Vergleich zu Pennsylvania stiegen in New Jersey aber die Preise für Fast Food. (Die Philipps-Kurve lässt grüßen.)
Zahlreiche weitere Studien zeigen, dass zwischen Mindestlöhnen und Beschäftigungsniveau kein eindeutiger Zusammenhang besteht. Oft wird der negativ wirkende Kosteneffekt mehr als ausgeglichen durch den Wachstumseffekt, den die höheren Einkommen der Geringverdienenden auslösen. Da diese Gruppe oft jahrelang auf weit verbreitete Konsumgüter verzichten musste, fließt jede Einkommenssteigerung meist vollständig in den privaten Verbrauch.
Bekannt, (und irgendwie auch logisch klingender) die Argumente der Arbeitgeber, doch denen muss man entgegenhalten: "Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben. Mit einem zum Leben ausreichenden Lohn meine ich mehr als das bloße Existenzminimum – ich meine Löhne, die ein anständiges Leben ermöglichen." (US-Präsident Franklin D. Roosevelt)
Doch was ist ein zum anständigen Leben ausreichender Lohn? Offiziell existiert nur eine einzige verbindliche Norm – an die sich aber niemand hält. Die Europäische Sozialcharta (ESC) von 1961 legt fest, dass ein Lohn unter 60 Prozent des nationalen Netto-Durchschnittslohns nicht angemessen ist. Im Jahr 1998 empfahl die OECD ihren Mitgliedstaaten ein "durchdachtes Paket ökonomischer Maßnahmen mit einem angemessen gesetzten Mindestlohn und Lohnzuschüssen.“
Doch in Deutschland gilt noch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2004, das selbst einen Lohn unterhalb des Sozialhilfeniveaus nicht beanstandete.
WSI
Langsam kippt unter Ökonomen das Bild von den zwei Linien, die sich in der Mitte schneiden. Zeit, das Modell der Realität anzupassen. „Arbeitnehmer sind keine Autos oder Brötchen oder Artischocken. Denn Gemüse hat keinen Stolz. Es will sich nicht selbst verwirklichen. Es muss auch keine Familie ernähren.“
Die Abkehr vom alten Dogma begann 1994 mit einem Aufsatz im "American Economic Review", einer der angesehensten ökonomischen Fachzeitschriften der Welt. Zwei US-Ökonomen präsentierten dort eine empirische Studie mit dem erstaunlichen Ergebnis: Eine kräftige Erhöhung des Mindestlohns kann zu zusätzlichen Arbeitsplätzen führen.
David Card (Berkeley) und Alan Krueger (Princeton) hatten untersucht, wie sich nach 1992 die Beschäftigung in der von Niedriglöhnen geprägten Fast-Food-Branche der US-Bundesstaaten New Jersey und Pennsylvania entwickelte. New Jersey hatte 1992 den Mindestlohn um fast 20 Prozent auf 5,05 Dollar erhöht, im benachbarten Pennsylvania blieb der Mindestlohn dagegen bei 4,25 Dollar. Obwohl einfache Arbeit in New Jersey erheblich teurer wurde, entwickelte sich dort die Beschäftigung in Fast-Food-Restaurants deutlich besser als in Pennsylvania. Pro Fast-Food-Restaurant entstanden in New Jersey 2,5 zusätzliche Stellen - ein Plus von mehr als 13 Prozent. Im Vergleich zu Pennsylvania stiegen in New Jersey aber die Preise für Fast Food. (Die Philipps-Kurve lässt grüßen.)
Zahlreiche weitere Studien zeigen, dass zwischen Mindestlöhnen und Beschäftigungsniveau kein eindeutiger Zusammenhang besteht. Oft wird der negativ wirkende Kosteneffekt mehr als ausgeglichen durch den Wachstumseffekt, den die höheren Einkommen der Geringverdienenden auslösen. Da diese Gruppe oft jahrelang auf weit verbreitete Konsumgüter verzichten musste, fließt jede Einkommenssteigerung meist vollständig in den privaten Verbrauch.
Bekannt, (und irgendwie auch logisch klingender) die Argumente der Arbeitgeber, doch denen muss man entgegenhalten: "Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben. Mit einem zum Leben ausreichenden Lohn meine ich mehr als das bloße Existenzminimum – ich meine Löhne, die ein anständiges Leben ermöglichen." (US-Präsident Franklin D. Roosevelt)
Doch was ist ein zum anständigen Leben ausreichender Lohn? Offiziell existiert nur eine einzige verbindliche Norm – an die sich aber niemand hält. Die Europäische Sozialcharta (ESC) von 1961 legt fest, dass ein Lohn unter 60 Prozent des nationalen Netto-Durchschnittslohns nicht angemessen ist. Im Jahr 1998 empfahl die OECD ihren Mitgliedstaaten ein "durchdachtes Paket ökonomischer Maßnahmen mit einem angemessen gesetzten Mindestlohn und Lohnzuschüssen.“
Doch in Deutschland gilt noch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2004, das selbst einen Lohn unterhalb des Sozialhilfeniveaus nicht beanstandete.
WSI
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